Wird eine Abfindung unter Berücksichtigung der vorzeitigen Rentenbezugsmöglichkeit für schwerbehinderte Beschäftigte geringer berechnet, stellt dies eine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen der Behinderung dar.
Zu diesem Ergebnis kam am 02.06.2016 das Landesarbeitsgericht Hamm in der Verhandlung über die ersten 9 von insgesamt rund 60 Berufungsverfahren, deren Gegenstand die richtige Berechnung der Abfindung schwerbehinderter Beschäftigter war, die wegen der Einstellung der PKW-Produktion bei einem großen Automobilkonzern am Standort Bochum ihren Arbeitsplatz verloren haben. Hintergrund des Ganzen war die Möglichkeit, dass rentennahe Jahrgänge grundsätzlich bei der Abfindung etwas schlechter gestellt werden dürfen. Problematisch war vorliegend jedoch, ob dies auch für schwerbehinderte Arbeitnehmer gilt.
Schlechterstellung im Sozialplan wegen vorgezogener Rente stellt Diskriminierung dar
Grundlage des Ganzen war ein zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erlassener Sozialtarifvertrag/Sozialplan. Danach sollten Arbeitnehmer für den Verlust der Arbeitsplätze Abfindungen erhalten. Diese Abfindungen berechneten sich auch danach, wann eine frühestmögliche Inanspruchnahme der gesetzlichen Rente möglich war.
Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern wurde auf die erstmalige Bezugsmöglichkeit einer vorgezogenen Rente mit Abschlägen für schwerbehinderte Menschen abgestellt. Mehrere schwerbehinderte Arbeitnehmer klagten hiergegen mit dem Argument, sie würden wegen ihrer Schwerbehinderung diskriminiert. Sie verlangten die Zahlung einer höheren Abfindung, da das Abstellen auf die vorgezogene Rente mit Abschlägen eine unzulässige Benachteiligung sei.
Höhere Abfindungen aufgrund der Diskriminierung
Das Arbeitsgericht Bochum hatte den jeweiligen Klägern im Herbst 2015 Abfindungen in der Höhe zugesprochen, wie sie sich ohne Berücksichtigung der mit der Schwerbehinderung verbundenen Möglichkeit des frühzeitigen Renteneintritts nach der Formel eines im Übrigen für wirksam erachteten Sozialtarifvertrages ergeben hätten.
Die von dem Automobilkonzern gegen die Entscheidungen des Arbeitsgerichts Bochum eingelegte Berufung blieb in allen 9 Fällen in der Sache ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Hamm begründete dies damit, dass es in der Berechnung der Abfindungshöhe unter Berücksichtigung der vorzeitigen Rentenbezugsmöglichkeit für schwerbehinderte Beschäftigte eine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen der Behinderung sieht. Diese sei sachlich nicht gerechtfertigt. Die Kläger könnten daher, wie vom Arbeitsgericht Bochum bereits entschieden, eine Anpassung der Abfindung nach oben verlangen.
Es bleibt daher festzuhalten, dass es eine Benachteiligung schwerbehinderter Arbeitnehmer darstellt, wenn diese nur deshalb eine niedrigere Sozialplanabfindung erhalten, weil sie eine vorgezogene Rente mit Abschlägen beanspruchen können.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde in allen Fällen zugelassen.
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 02.06.2016, Az.: 11 Sa 1344/15
Pressemitteilung des Landesarbeitsgericht Hamm
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LKS Rechtsanwälte, Frankfurt am Main
News: Sozialplanabfindung – Benachteiligung wegen der Behinderung