Welchen Lohn erhalte ich nachbezahlt, wenn mein Arbeitgeber mich rechtswidrig gekündigt hat und mich wieder einstellen muss?
Grundsätzlich den kompletten ausstehenden Lohn (Annahmeverzugslohn). In der Zwischenzeit erzielter anderweitiger Verdienst wird allerdings angerechnet. Abgezogen wird auch, was der Arbeitnehmer hätte verdienen können, wenn er nicht böswillig darauf verzichtet hätte, eine zumutbare Arbeit anzunehmen (§ 11 Nr. 2 KSchG bzw. § 615 Satz 2 BGB).
Wann ist dieses böswillige Unterlassen anzunehmen? Hierüber wurde zuletzt häufiger vor Gericht gestritten. Es geht darum, wann und inwieweit der vom Arbeitgeber erhobene Einwand böswillig unterlassenen Verdienstes Erfolg versprechend ist, um sich insbesondere im Fall der Unwirksamkeit der Kündigung gegen (allzu hohe) Nachzahlungsforderungen zu wehren.
Nach den Landesarbeitsgerichten in Stuttgart, Hamburg und Köln hat sich auch das LAG Berlin-Brandenburg positioniert (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.07.2023 – 10 Sa 871/21) und sieht im Kern nur eine Verpflichtung, den Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit nachkommen zu müssen.
Wenn sich ein Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend meldet und den Vermittlungsangeboten konkret nachgeht, kann ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs nicht mehr angenommen werden.
Das Gesetz verlange für die Anrechnung nicht nur das bloße Unterlassen anderweitiger Dienste bzw. anderweitigen Erwerbs; diese Unterlassung muss vielmehr böswillig erfolgen. Wenn jedoch eine staatliche Stelle zur Vermittlung von offenen Stellen an Arbeitssuchende vorhanden ist, genüge es, diese aufzusuchen und sich auf entsprechende Vorschläge zu bewerben.
Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit beachten
Damit schlägt das LAG Berlin-Brandenburg in die Kerbe des Urteils des LAG Köln (Urteil vom 27.04.2023 – 8 Sa 793/22). Der Annahmeverzugslohn beanspruchende Arbeitnehmer sei, wenn er sich auf die von der Bundesagentur für Arbeit vermittelten Stellenagebote erfolglos beworben hat, ohne das Vorliegen besonderer Anhaltspunkte nicht gehalten, auch über einen sich monatelang hinziehenden Annahmeverzugszeitraum nahezu durchgängig eigeninitiativ Bemühungen zur Erlangung einer anderweitigen Beschäftigung zu entfalten.
Arbeitgeber kann Druck aufbauen
Muss der Arbeitgeber sich also auf Vorschläge der Agentur für Arbeit verlassen? Nein. Arbeitgeber können aktiv die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um böswillig unterlassenen Verdienst zu begründen, wie zum Beispiel den Auskunftsanspruch über Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und des Jobcenters. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer über konkrete Stellenangebote informieren, um Bewerbungen zu veranlassen. Dies kann dazu dienen, Ansprüche aus Annahmeverzug zu kürzen, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses verhindert.
Ob und inwieweit das BAG den Arbeitnehmern doch noch mehr abverlangen wird, bleibt abzuwarten. Hoffnung besteht insoweit, dass sich das BAG bei passender Gelegenheit noch dazu äußern wird, ob und ggf. inwieweit in die stets vorzunehmende Gesamtabwägung auch unterlassene oder erkennbar unzureichende Eigenbemühungen des Arbeitnehmers einzuziehen sind.